Aleksandr Skrjabin

*  6. Januar 1872

†  27. April 1915

von Walter-Wolfgang Sparrer Inna Klause Gottfried Eberle

Essay

I. Historische Konstellation

Als Aleksandr Skrjabin hervortrat, war die russische weltliche Kunstmusik noch sehr jung. Wohl hatte das Land eine lange Volks- und Kirchenmusiktradition; der ganze Bereich Oper, Symphonik und Kammermusik aber lebte bis weit ins 19. Jahrhundert vom Import aus dem Westen, insbesondere aus Italien, Frankreich und Deutschland, und nahm kaum russische Züge an. Die ersten Nationalopern schufen Michail Glinka und Aleksandr Dargomyžskij, und eine russisch geprägte symphonische Musik breiteren Maßstabs initiierte erst seit Ende der 1850er-Jahre der St. Petersburger Komponistenkreis um Milij Balakirev, dem Modest Musorgskij, Nikolaj Rimskij-Korsakov, Aleksandr Borodin und César Cui angehörten. Und erst mit der Gründung des ersten russischen Konservatoriums in St. Petersburg 1862, ein Jahr nach Aufhebung der Leibeigenschaft und zehn Jahre vor Skrjabins Geburt, konnte sich ein Berufsmusikertum entfalten. Moskau erhielt vier Jahre später sein Konservatorium.

Doch gestalteten sich in dieser Stadt, in der Skrjabin aufwuchs, die musikalischen Verhältnisse anders als in St. Petersburg. Moskau blieb dem Westen zugewandt, gerade auch am Konservatorium, an dem Skrjabin seit Januar 1888 studierte. Die wenigen Wochen, die er dort bei Anton Arenskij Kompositionsunterricht erhielt, bis er sich mit ihm überwarf, dürften ihn wenig ...